Kleopatrafalter
Ein kleiner Roman

«Er sah das Gesicht der Frau vor sich und ahnte etwas von einem Glück, das er nicht kannte und das er womöglich nicht einmal erkennen würde, wenn er es zu sehen bekäme.»

«Dass sie nicht fluchte, nicht tobte, nicht schrie, nicht wütete, war zu viel, was auf die jungen Männer, die im Gras kauerten, einstürzte, zu viel Unfassbares und Unerklärliches, was ihre Augen einfach hinnehmen mussten. Fast gleichzeitig krochen sie ein Stück zurück, erhoben sich und gingen schweigend den Weg zurück in das Dorf und sahen sich nicht an, blickten vor sich in die Leere, als müssten sie ihre ganze Kraft darauf verwenden, ihren Verstand zusammenzuhalten.»

Kleopatrafalter erzählt die zabuerhaft verspielte Geschichte einer verwunschenen Liebe.

Pressestimmen und Zitate

«Ein wunderbares Buch über den Zauber der Poesie und der Liebe.»
Hartmut Vollmer, Schweizer Monatshefte»

«Schwierig ist es, das Glück zu haschen. In 'Kleopatrafalter' scheint es zu gelingen. – Ein Märchen über die Kraft des Schreibens, fein erdacht und komponiert.»
Buchjournal, Franziska Schläpfer

«Für anspuchsvollere Leser eine wahre Trouvaille.»
SBD Schweizer Bibliotheksdienst

«Ein Juwel in der Bücherlandschaft – schillernd und berauschend. Eine Frühlingslektüre, leicht wie ein Schmetterling.»
Brigitta Gerig-Wildermuth, www.schreibenundlesen.ch

«Kleopatrafalter ist eine Art Notturno, farbig, traumhaft, schwärmerisch, dem nur rationalen Verstehen enthoben.»
Charles Cornu, Der Bund

«Es würde mich überraschen, wenn Sie den nur 158-seitigen Roman unberührt zur Seite legen würden.»
Eine Rezension von Heinrich Boxler. Chiquet, Pierre

2003 ist vom Basler Schriftsteller Pierre Chiquet der Roman „Königsmatt“ erschienen. Er handelt von einer Seniorenresidenz, deren Insassen es satt haben, von den Pflegern wie Unmündige behandelt zu werden. Es kommt zu einem Aufstand. Meisterhaft beschreibt der Autor, wie sich im Speisesaal ein erster, zaghafter Protest langsam zu einem wilden Tohuwabohu steigert.
Pierre Chiquet wurde 1956 geboren und lebt als Schriftsteller und Taxifahrer in Basel. Sein neuer Roman „Kleopatrafalter“ ist völlig anders geartet als „Königsmatt“. Hier regiert die Stille, ist die Rede von Menschen, die eher in Konturen erscheinen als in praller Wirklichkeit. Und vielleicht ist gerade deswegen ein sehr fein gewobener Liebesroman entstanden.
Der Ich-Erzähler hat ein Haus am Rand des Dorfes Feldbach gemietet. Er möchte in Ruhe schreiben können. Da sieht er von seiner Wohnung aus, wie sich im vernachlässigten Nachbargrundstück etwas tut. Ungerer beginnt den verwilderten Garten umzugraben und Blumen zu pflanzen. Täglich taucht er im Garten auf, der vom Wald, von einem Bach und einer Hecke gesäumt wird. Er trägt eine auffällige Mütze.
 
S. 36 Die Mütze Ungerers
 
Schliesslich beginnt Ungerer ungefragt, den Erzähler zu besuchen und ihm Dorfgeschichten zu erzählen.
Der Schriftsteller ist verwirrt. Auf dem Dorfmarkt hat er eine Frau in Rot angetroffen, die am andern Ende des Dorfes wohnt. Mit seiner Ruhe ist es vorbei. Die Gedanken an die Frau lassen ihn nicht mehr los. Und so beginnt er in der Mitsommernacht zu schreiben. Er schreibt die ganze Nacht hindurch und vermischt in seinem Roman die Geschichten Ungerers mit eigenen Fantasien, die sich um die Frau vom Dorfmarkt drehen. Er leiht ihr eine Biografie.
Danach hätte ihr Grossvater im Dorf Feldbach eine Frau in einem Auto erblickt, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Er reist in die Stadt und findet sie in einem Freudenhaus wieder. Sie erblickt ihn, packt ihren Koffer und folgt ihm auf der Stelle in sein Haus auf dem Land. Aber so unerwartet, wie sie gekommen ist, geht sie nach einem Jahr weg und hinterlässt ihm ein Kind. Das Mädchen wächst beim Vater auf. Von den Schulkameraden wird es gemieden. Als das Mädchen 18 Jahre alt ist, stirbt der Vater. Kurz nach seinem Tod fährt die junge Frau mit einem neuen Traktor vor und besorgt das hinterlassene Bauerngut, wie es der Vater getan hat. Die Frau ist schön, aber unnahbar. Die jungen Männer, ihre ehemaligen Klassenkameraden, ertragen es nicht, dass die Frau von ihnen keine Notiz nimmt. Einer von ihnen hat sich gar in sie verliebt, aber er wagt es trotzdem nicht, sich offen zu ihr zu bekennen und den andern die üblen Streiche auszureden. Zuerst räumen die Männer der Frau in ihrer Abwesenheit das Haus aus und verteilen ihren Hausrat im Wald. Dass die Frau den üblen Streich gelassen hinnimmt, steigert den Ärger der Männer bis zur Weissglut. Sie setzen das Haus in Brand. Aber schon bald steht dort ein neues, schöneres Haus. Fortan pflanzt die Frau Erdbeeren und widmet sich voller Hingabe ihrem üppigen Blumengarten. Ein Mann, Besitzer einer himmelblauen Corvette, mietet sich in einem Haus am andern Ende des Dorfes ein. Jeden Tag wirft er einen Blumenstrauss in die Allee, die zum Haus der Frau führt, bevor er erstmals ihr Haus betritt.
Eine seltsame, fesselnde Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang. Und am Schluss bleiben viele Fragen offen. Ist Ungerer der Mann mit der Corvette? Seine Bemühungen um den üppigen Blumengarten legen diesen Gedanken nahe. Schreibt der Erzähler vielleicht seine eigene Geschichte oder nur seine Wünsche nieder? Und wer ist die geheimnisumwitterte Frau in Rot wirklich? Doch eigentlich möchte man gar nicht alle Fragen beantwortet haben, weil das bloss Erahnte gerade den Reiz von Chiquets kleinem Roman ausmacht.
Durch das nur Angedeutete gewinnt der Roman etwas Leichtes, Schwebendes. Dennoch sind die Geschichten durchaus nachvollziehbar. Gelegentlich gewährt der Autor in Kursivpassagen Einblick in die Gedanken seiner Personen.
Gleich in den ersten Sätzen fällt die grosse Stille auf, die sich durch das Buch hinzieht. Sie ist oft so intensiv, dass jedes kleinste Geräusch Bedeutung gewinnt. Zudem herrscht im Text eine grosse, wohltuende Ruhe, die nie langweilt. Ungerer scheint ohnehin jede Zeit der Welt zu haben.
 
S. 32 Ungerers Besuch beim Schriftsteller
 
Völlig unaufgeregt fliesst der Erzählstrom, fliesst die Sprache dahin, ohne dass sich viel Spektakuläres ereignet. Mit wenigen Worten bringt der Autor die Dinge zum Klingen.
 
S. 44 Geräusche der Hecke, des Waldes
 
Der Autor wählt für seine Geschichte einen raffinierten Aufbau. Die Mittsommernacht, in der der Erzähler seinen Roman niederschreibt, scheint es in sich zu haben, dass man nicht schlafen kann. Das Glühen der Zigarette beweist, dass Ungerer selbst nach Mitternacht noch im Garten sitzt, und auch die Frau schläft erst spät ein und liegt schon um zwei Uhr wieder wach. Die Parallelen zwischen dem Schriftsteller und der Frau gehen weiter. So wie er allein in Victors Bar unter den Kastanien sitzt und von allen beäugt wird, so allein und ausgestellt ist die Frau in diesem Dorf. Und wie der Bauer Schmidli mit seiner ewigen Düngerei den Fremden zu vergraulen sucht und erst damit aufhört, als er erfährt, dass der Aufenthalt vorübergehend ist, so wünscht man sich die Frau aus dem Dorf weg. Ist es die Magie der Nacht oder der Frau oder der Rat Ungerers, der den Schriftsteller bewegt, sein ursprüngliches Buchprojekt aufzugeben? Er hatte nämlich im Sinn, ein Buch darüber zu schreiben, wie ein Mann den Kleopatrafalter aus dem Süden in den Norden lockt. Statt eine abstruse Geschichte zu erfinden, schreibt er in dieser Nacht nieder, was ihn bewegt. Es würde mich überraschen, wenn Sie den nur 158-seitigen Roman unberührt zur Seite legen würden.
 
Feldmeilen, 2. März 2007

«Kleopatrafalter» von Pierre Chiquet
Fr. 32,00
ISBN 9783908010852-

Roman, 160 Seiten, gebunden