Gespräch mit Katharina Faber

Gespräch mit Katharina Faber

»Manchmal sehe ich am HImmel einen endlos weiten Strand«
Katharina Faber über ihre Charaktere, das Scheitern und eine Verfilmung.

RB: Wovon handelt Ihr Buch?
KF: Es geht um eine Frau, die in einer schweren Lebenskrise Schutz bei ihrem Mörder sucht. 
RB: Katharina Faber, in Ihrem fulminanten Debutroman findet sich eine der wohl verrücktesten Restaurantszenen in der Literatur. Gibt es dieses Restaurant? 
KF: Natürlich gibt es dieses Restaurant irgendwo, ich habe es erfunden. Ich habe es Trelock genannt. Was wir uns ausdenken, findet irgendwo auch wirklich statt. Irgendjemand hat irgendwo aus einem alten Bunker im Atlantikwall ein erlesenes Restaurant gemacht, mit einem langen dunklen Gang, und die Leute, die dort essen, kommen auch wegen der Atmosphäre, sie tun etwas Besonderes und fühlen sich besonders und das kann manchmal ja sehr komisch sein, besonders dann, wenn ein unpassendes Paar in so ein gediegenes Etablissement kommt. 
RB: Der Titel des Romans entstammt einem Gedicht von Rimbaud. Wieso Rimbaud? 
KF: Rimbaud ist mir sehr nahe. Ich lese ihn oft und immer wieder. Rimbaud hat dem Buch den Titel gegeben, weil dieser Himmel, den er suchte und sah, die Spiegelung, die Träumerei und die Flucht Teil der Geschichte von Darja und Alain sind. Er ist ja eine der seltsamsten und fremdesten Erscheinungen unter den Dichtern, auch der heutigen Zeit. Er war ein Vagabund, ein Waffenhändler, ein ruheloser Liebhaber, ein Zerstörer, auch seiner eigenen Werke. Er war vollkommen gleichgültig gegenüber Lob oder Tadel, Anerkennung oder Feindschaft. Der Ruhm ekelte ihn. Während man ihn in den Salons in Paris gefeiert hat, stand er mit seiner Karawane irgendwo in der Wüste vor einem Feuer und verbrannte seine Gedichte. Ein Dichter nahe am Verstummen. Es gab ja auch diese seltsame und fatale Liebe zwischen ihm und dem viel älteren, schon berühmten Dichter Verlaine. Rimbaud hat Verlaine aus den Armen seiner Mathilde, seiner bürgerlichen Existenz, seinem prekären Gleichgewicht als Familienvater und Beamter, gerissen und nach London und Brüssel geschleppt. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden war eine Katastrophe, une saison en enfer. Verlaine hat immer böser getrunken und am Ende in seiner Verzweiflung auf Rimbaud geschossen, kam ein Jahr ins Gefängnis und zerbrach, ging vor die Hunde. 
RB: Das Personal Ihres Romans besteht aus Menschen, die stellvertretend für verschiedenste Charaktere, gescheiterte sind. Wie stark bilden Sie die Realität ab wie Sie sie sehen? 
KF: Was heisst denn scheitern? Vielleicht heisst scheitern einfach - leben. Und vielleicht sind es ja die Gescheiterten, die beautiful looser, die dem Leben viel mehr Spiel und Schönheit abtrotzen als die lächelnden Hülsen der sogenannten winner? Natürlich hat Vivianne Qualen ausgestanden mit ihrer Krankheit und mit den Mühen ihres Verlages, aber sie lebt und verlegt weiter kräftig drauflos und holt ihrem Exmann das Geld aus der Tasche, eine Wegelagerin, und immer wieder sehr vergnügt. Und Louis Ferlinghetti ist wohl ein Betrüger, aber auch der liebenswerteste Freund, den man sich denken kann. Der Mechaniker Hervé ist mit den Nerven fertig, er kann sich nicht mehr konzentrieren, weil seine Frau ihn ganz in Anspruch nimmt, im Auf und Ab ihrer Krankheit; indem er sich erinnert, flieht er in die glücklichen Jahre. Ich schildere nur das banale Leben und wie die Leute kämpfen und versuchen über die Runden zu kommen, wie sie sich durchwursteln und selbst betrügen und dann wieder Mut fassen, wie sie sich erinnern - wie sie überleben. 
RB: Essen und Trinken als Fest und im Übermass sind sinnliche Höhepunkte. 
KF: Das Essen in meiner Geschichte ist darum so wichtig, weil Alain nach den Erniedrigungen im Gefängnis versucht, sich wieder einzurichten in der Welt. Er kocht, was ihm früher seine Mutter gekocht hat und er kocht es für Darja, die sonst nichts essen würde. Er will nicht, dass Darja nur trinkt. Und indem er Darja füttert, gewinnt er eine Art Herrschaft über sie. 
RB: Wenn Sie sich eine Verfilmung vorstellen - sie drängt sich geradezu auf - welches wäre Ihre Traumbesetzung: Regie? Weibliche, männliche Hauptrolle? 
K.F. Wenn Träumen erlaubt ist: Nachdem Pasolini und Buñuel tot sind, bleibt nur noch Almodovar für die Regie. Charlotte Rampling spielt Darja, ich sehe sie schon die Lippen schürzen. Für Alain ein Typ wie der junge Freier in Belle de Jour. Kein Robbie Williams, - Pasolini soll ihn suchen. 
RB: Der Roman wird das Publikum begeistern. 
KF:. ------- ? Speriamo! - Hoffnung macht nicht fett, aber sie hält aufrecht, wie die Spanier sagen. 
RB: Ihr Sarkasmus ist zum Teil überwältigend, geradezu betörend? Vorbilder? 
KF: Wir sind manchmal dann und dort am komischsten, wo wir am traurigsten sind. Und das beschreibe ich, und ich mag besonders diese haarfeine Linie wo das Tragische ins Lachen kippt oder das Lachen stockt, weil ein Schatten es einholt. Was ich nicht mag ist die Ironie als Distanz des Erzählers. Ich will ganz nahe hin zu dem was ich erzähle, ich will keinen Abstand, kein Urteil, kein psychologisches Verstehen, ich will nichts als die Figuren, nichts als die Erzählung. 
RB: Danke für das Gespräch.